Peter Baer

Bei der ersten Ausstellung, vor etwa 20 Jahren in Burgdorf, meinte ein betroffener Besucher, ein wahrer Eremit müsse das gemacht haben. Wenn uns die Künstler mit ihren Bildern und mit ihrem Einsatz zeigen, was Besinnung in heutiger Zeit heissen kann - und eine wesentliche Voraussetzung dazu bleibt, wenigstens zum einen Teil, die fast sture Eremiten-Haltung -, so scheint mir Peter Baers Kunst nicht nur exemplarische Bedeutung zu besitzen, sondern von einer erregenden Intensität zu sein. Dies trotz, vielmehr wegen der permanenten Selbstspiegelung oder der Frage: Wo stehe ich, in welchem Raum nehme ich welche Haltung ein?

Das gegenüber reproduzierte Gemälde trägt den Titel «Tanz an die Basis» (und wie ich höre, entspricht der Titel einem Imperativ, dem sich Baer einmal im Traum ausgesetzt sah). Das Bild lebt aus der Zweipoligkeit von Entgegentreten und Verschlucken, von basisbezogener, deutlicher Axenfixierung und teilweise verschleierndem Sturmwind, von greifbarer Nähe und Wegstieben. Auf diesem Stuhl lässt es sich nicht sitzen. Die Rückenfigur vor dem Stuhl balanciert zwischen dem, was der Stuhl verbildlicht (bestimmte Frontalität, orthogonale Flächen, Standfestigkeit), und dem, was den Raum schafft und qualifiziert (die Nacht auf den Schultern, das grau überzogene Rot, diagonales Weggleiten). Keine Harmonisierung: das eine fordert das andere heraus, greift es an.

 

Bei diesem ebenso begeisterten wie taumelnden Tanz kommt es auf Präzision an. Zugleich

bleibt entscheidend, dass die mediale Präzision («Wenn ich fast nichts dazu tun muss, dann bin ich eingefahren!») keine Erstarrung und keine bequeme Selbstgefälligkeit mit sich bringt. Dieser komische Eremit, der tanzend zu einer Basis vorzudringen versucht, breitet die Arme aus: um auf dem hohen Seil besser rennen und zielen zu können, aber auch ungeschützt sich preisgebend im Raum, ein Flugversuch. Der Kreis links von der «Armbrust»-Schulter des Trippelnden wird tangiert vom diagonalen Schweifen der räumlichen Farbflächen, und er scheint die Tendenz zu haben, die runde Schulterlinie der Figur in die Kreisbewegung mitzuziehen. Die senkrechte Position des rennenden Tänzers erlebt man als eine «trotz allem» eingehaltene Vertikalität. Was in diesem Bild aufrecht steht, was hier besteht und als etwas Dauerndes sich verdichtet, wurde der Zeit und der Gestaltlosigkeit entrissen: mit Meditation zur Gestalt hin und in abenteuerlicher Schnelligkeit.

 

Wieviel Distanz liegt, wenn Schulter und Kopf der Figur genau vor der roten Fläche der Stuhllehne erscheinen, zwischen diesem Tänzer im Laufschritt und dem phänomenalen Stuhl-Gebäude? Was öffnet sich hinter der Fläche, die hinter dem Stuhl die Fluchtperspektive sehr vorläufig abschliesst? Was knistert an den Ecken der quadratischen Bilder im Bilde? Von welcher zwitterhaften Materialität ist der Schatten zwischen den Stuhlbeinen? Berührt der Mann mit den ausgebreiteten Armen den Farbraum um sich, wie nimmt er an ihm teil? Spurt an die Basis!

 

In: Peter Baer. Werke 1980/83.

Galerie „zem Specht“, 13.10. bis 5.11.1983

Kunsthalle Basel, 22.1. bis 26.2.1984