Zur Ausstellung Peter Baer – Im Schatten des Widders

Peter Baer, geboren 1936, ist ein weiterer Basler Künstler nach Ludwig Stocker, Samuel Buri und Werner Ritter u. a., der im städtischen Kunstmuseum Thun sein Werk zeigt. Es sind Acrylbilder, Ölgemälde und Kugelstiftzeichnungen aus den vergangenen sechs-fünf Jahren, wobei das meiste in den letzten zwei Jahren entstanden ist. Es handelt sich dabei um seine vorläufig neuste Schaffensphase, wenn man es so sagen darf, denn gewisse Themen erscheinen in seinen Bildern wieder, waren schon früher da. Peter Baer datiert seine Bilder nicht.

Der Titel der Ausstellung sagt einiges aus über die Intentionen des Künstlers. Der Widder ist ein Opfertier, eine Figur, die möglicherweise auch mit dem Mann aus Nazareth zu tun hat. Wir kommen um diese Figur nicht herum; was spielt sich nicht alles mit dieser Figur ab! So beispielsweise der Schuldkomplex des Menschen überhaupt und die ethischen Grundsätze der Bergpredigt, an denen wir bis heute nicht vorbei kommen. Dieser Grundgedanke ist in Peter Baers Bildern sichtbar. Es sind auch andere Motive da, Symbole, die dem Künstler ermöglichen, seine Anliegen zu formulieren. Der Adler, der Löwe, HI. Georg tauchen in seinen Bildern auf, der Stier als Symbol der reaktiven Kraft. Und der Stierkämpfer oder Massnehmer, der die Szene Umarmende, tritt auf - Natur- und Geisteskraft -, die sich gegenüberstehen, nicht etwa im Sinne des spanischen Stierkampfes; es kommt niemand um, man wird höchstens gefangen. So wird beim Thema HI. Georg mit dem Drachen der Drache nicht einfach getötet, vielmehr verbindet die Lanze die beiden und macht sie voneinander abhängig. Sie sind aufeinander angewiesen und könnten einzeln nicht existieren, ebenso wie das Gute und das Böse voneinander getrennt, nicht existent sein könnten.

Peter Baer sagt zum Beispiel: «Der erste Mensch, der die Distanz zu einem Mitmenschen aufheben kann, könnte eine Apokalypse auslösen.» Er wünschte dabei eine unblutige Apokalypse. Der Maler begnügt sich mit einer reinen Überlebenshaltung, da bei den Stierkämpfern kein Schwert da ist. Peter Baer sieht keine Zufälle, sondern Kausalitäten. Er findet, dass kein Bild ausserhalb des Erlebten, des Erlebbaren stattfinden kann. Was also in der Vorstellung möglich ist, ist für ihn auch in der Wirklichkeit möglich. So glaubt der Künstler, dass die Fiktion der Jungfrau dazu dient, eine Jungfrau zu erzeugen, zu konstruieren. Er folgert daraus, dass der Urwunsch mit den Jahrtausenden möglicherweise Form annimmt, und denkt dabei an den Flug. Der Flugwunsch geht voraus, gefolgt von der Flugidee, aus der der Flugwille und schliesslich die Flugfähigkeit erwachsen. Das Fluggefühl, der Zustand der Schwerelosigkeit ist erreicht mit Hilfe der Maschine. So möchte man auch die Fiktion oder auch die Religion deuten - Stilmittel -, die fehlenden Dinge, die Vollkommenheit zu erreichen.

Peter Baer kann manchmal nicht sagen, was er maIen oder zeichnen will. Es sind die Intuitionen, die man nicht vorausahnen kann, und die Bilder entstehen dabei. Sein Werk hat etwas Geheimnisvolles, und er sagt darüber: «Wenn es keine Geheimnisse gäbe, bräuchte es keine Künstler.» Über die Ordnung und das Chaos sagt er folgendes: «Eine Ordnung wäre die Ordnung der Unordnung. Das Chaos wäre die Unordnung der Ordnung. Dies aber wäre schon wieder eine Ordnung, weil jeder Teil in das gegensätzliche Verhältnis gebracht werden müsste.»

Peter Baer geht von der «Vollkommenheit des Urzustandes» aus. Das heisst, das erste Sein wäre das unkritisierbare Sein an sich gewesen, da ein Zustand vor seiner erstmöglichen Kritik zuerst bestehen muss. Das Sein, das vorher nicht kritisiert werden konnte, kann auch nachher nicht kritisiert, sondern nur attackiert werden, in Form eines Bedürfnisses, einer Begierde oder eines Ungenügens überhaupt. So wäre alles, was das Unvergängliche anstrebt, gleichzeitig das Attackieren des Vergänglichen.

Für den Künstler ist jedes Bild ein Ordnungsversuch. «Jeder Punkt will gelebt haben, sei es Farbe, sei es was auch immer. Man kann aber auch mit der kleinsten Intervention ein Bild zerstören. » Schwarzweisse Bilder haben für ihn auch mit Licht und Finsternis zu tun. Im Schwarzweissen sieht er das Symbolische schlechthin. Bei der Farbe sieht er das Seelische, aber auch das Symbolische. Jede Farbzusammenstellung ist mit einem Gemütszustand vergleichbar. Je komplexer der Mensch geworden ist, desto mehr sucht er Farbzusammenhänge, welche sich in früheren Zeiten nicht vertragen hätten. Es ist der Versuch des Malers, alles miteinander zu verbinden.

In: Ausstellung Peter Baer - Im Schatten des Widders