Epilog

Im Mai 1965 schrieb die Zürcherpresse anlässlich der Ausstellung eines Schweizermalers, man erwarte von ihm mit Zuversicht, er werde sein Ziel erreichen, etwas in seiner Art ganz Neues darzustellen. Ein halbes Jahr zuvor
hatte man seine in Basel zur Weihnachtsausstellung vorgelegten Werke mit der Begründung ausgeschieden, er würde dort beginnen,wo die andern aufhörten. Als er 1968 auf Einladung eines Freundes eine Ausstellung im Kolllegiengebäude der
Universität Basel machte, konnte man in einer Baslerzeitung einen Beschrieb finden,  in dem es hiess, es gehe um Dynamik, der Maler würde aber noch viel zu tun haben. Dieselbe Zeitung hatte ihn fünf Jahre vorher als versierten Techniker bezeichnet.

Was hat der Schweizer bisher mit seinen Malern gemacht?

Er kritisierte ihre Arbeiten, bis sie es satt hatten und auszogen.--- Er kaufte dann ihre Arbeiten für schweres Geld vom Ausland zurück und verkaufte sie nun,-- dreimal teurer,-- an jene,-- welche schon immer gewusst haben,-- was Qualität hat.
Er gibt ihnen auch das Bürgerrecht,-- ein paar Tage nach dem Tode -- und nennt sie eine zeitlang Schweizer,-- oder,-- er lässt sie vom Ausland kommen-- und schenkt Ihnen,-- kurz vorher,-- noch schnell einen Ehrendoktortitel.-- Jene,-- welche hier  geblieben sind und nicht auszogen, konnte man im Sanatorium besuchen.-- Ausser beim Sport ist dem Schweizer das Geniale ein Greuel.--  Beim Genialen  überfällt ihn,-- der Basler allen voran,-- das Grauen. Wenn ein Polansky,--  an Stelle einer geplanten Würdigung,-- in der Schweiz verhaftet  wird,--  ergreift mich das Grauen.—

Da ich nicht gedenke auszuziehen und auch nicht mehr ins Sanatorium mag,-- werden sie es mir nicht verübeln,-- wenn ich meine Arbeiten selbst analysiere,--  ich bin so anständig,--  sie vor allem von der formalen Seite her zu betrachten.-- Wie sie wissen, sind helle Bilder äusserst schwierig herzustellen. Je heller, desto ungeheurer die Empfindlichkeit der Farbe und der Hell-Dunkel-Werte. Was mich an der Hell-Dunkel-Malerei gestört hatte war der Umstand, dass man die Farbe stark durchbrechen musste--  und nur kleine Flecken reiner Farbe stehen lassen konnte.—

Was mir an der farbigen --Malerei missfiel,-- war,-- dass die Farbe ihre Expansion verliert  und damit ihre Dynamik,-- was zu einem Raumverlust führt.

Wenn ich Das,-- was die Graumaler mit Grau machten,-- mit Weiss -- vollziehen könnte,-- wäre es vielleicht noch einmal möglich, eine neue Dimension zu erzielen --
           Nämlich:
                        Die totale Dynamik der Farbe ohne Raumverlust,
                        die Synthese der Hell-Dunkel- und der farbigen Malerei,
                        das totale Gegenlicht,
                        die farbige Silhouette.

An der Ausstellung im Kollegiengebäude wusste natürlich niemand, dass es sich um diese Experimente handelte, von welchen ich mir jene neue Dimension erhoffte. Ich brauchte sieben Jahre, um die Farbkosmen auseinander zu treiben und den  Helligkeitsgrad zu steigern.-- Ich setzte Farbflecken auf Weiss und behandelte nur deren Umrisse.-- Dabei  verwendete ich nur Weiss, ich korrigierte also nur mit Weiss. Hier war es ungeheuer wichtig zu spüren wo die Umrisse scharf-- und wo sie rauh waren.
Sukzessive riss ich die Farbkosmen immer weiter auseinander, und es dauerte wie schon gesagt etwa sieben Jahre, bis es mir gelang wieder die volle Plastizität zu erreichen. ----

Viele werden sich noch die Zähne ausbeissen, wie man so etwas macht.  Der Laie,-- und auch der Fachmann,-- der nicht gewohnt ist Farbkosmen in dieser Dimension, von aussen her, wieder zusammen zu raffen, besorgt sich am Besten
ein Verkleinerungsglas und entfernt es ein wenig von den Augen. Dann wird alles viel einfacher. Es eröffnen sich ihm glasklare, einer Zeichnung ebenbürtige Räumlichkeiten. Sogar ein Laie wird jetzt erkennen, dass die Bilder wie an einem imaginären Faden hängen.--  Nun machte ich eine merkwürdige Erfahrung. Ich setzte die Farben intuitiv auf die Leinwand, und je länger ich daran arbeitete, um die Farbe zum Klingen zu bringen, umso deutlicher schälten sich geometrische Formen heraus.  Sobald ich dies bemerkt hatte, und ich hatte es wirklich erst bemerkt, als es mir  gelungen war, wieder volle Plastizität zu erreichen, nannte ich meine Weke:  

                         „ Aufgerissene Cézannes“
Jetzt erschien alles in glasartiger Konsistenz.---

Wenn wir unter anderem das Bild DER SCHATTEN DES WIDDERS  betrachten,so ist auch hier die Synthese der Hell-Dunkel-und der Farbigen Malerei Wirklichkeit geworden.

Nämlich:
             Die totale Dynamik der Farbe ohne Raumverlust.

Als ich letzthin einen Bildertransport unternahm,-- schaut der Transportmann auf die Bilder,-- sagt, -- übrigens vor Zeugen: -- „ Aha, wir transportieren Glas,“-- er geht auf ein Bild zu, – und,-- zieht erschrocken
seine Hand zurück,--  weil er Leinwand spürt.

Vor Jahren schrieb auch einmal jemand, meine frühen Werke wären gezeichnet. Wer  genau hinschaut, kann sehen,-- dass es sich um eine Aussen- Innen- Bearbeitung der Kontur handelt, – sie ist gemalt und wechselt dauernd und zwar  am richtigen Ort,-- ihre Farbe.

Meine Damen und Herren,

Bei uns herrscht „ Amerikanertrend „.
Ein Europäer ist noch lange kein Amerikaner. –
Ein Amerikaner ist immerhin ein Amerikaner.--

Die Galerien beherrschen den Markt und die Kritiker,-- diese-- die eidgenössischen Instanzen.--

Das europäische Individuum ist aber noch nicht gestorben. Die Farbe ist nicht brutaler,-- im Gegenteil,--sie ist noch viel kostbarer geworden.-- Es ist heute keinesfalls einfacher-- ein gutes Bild zu malen. Leuchtfarben und Plastic sind nicht nötig, um synthetisches Material zu erzeugen. Auslithografierte Bilder bleiben,-- bei aller Anstrengung zur Dynamik,-- statisch.

Was ist Europa heute?

Europa stellt machtmässig und ideologisch noch keine geschlossene Einheit dar, aber doch etwas mehr als vor Jahrzehnten. – Ein Europäer hat ein viel grösseres Traditionsbewusstsein,-- deshalb auch einen  grösseren Minderwertigkeitskomplex als ein Amerikaner, -- er ist älter. – Er muss daher,-- gegenüber dem Amerikaner,-- ein Vielfaches leisten,  um an jenen Punkt zu gelangen, -- bei dem er „seine Schulden abbezahlt hat“.

Hat er diese Arbeit hinter sich gebracht, ist der Europäer meist nuancierter,--  filtrierter,-- dichter, – als ein Amerikaner.
Seine biochemische Zusammensetzung ist noch komprimierter.

Kollektiverscheinungen sind nichts anderes,-- als das Symptom eines kapitulierenden Europäers,-- des kapitulierenden Individuums.—

Meine Damen und Herren,

Geben wir dem Amerikaner eine Chance,-- noch einmal von uns zu profitieren.

Betrachten sie meine Werke:
Ihre Empfindlichkeit ist furchtbar.--
Sie haben aber auch etwas Tröstliches:
                                              Kleinstteile im Raum behalten ihre Wichtigkeit.-

Ein gewöhnlicher Mensch schaut nicht gerne ins Licht,--- gewisse Bilder wirken vielleicht etwas hell. Bei weissen Arbeiten herrscht optimaler Druck des Raumes auf die Körper,--  bei den dunklen,-- nicht wie erwartet die Saugkraft,-- sondern,-- ebenfalls ein leiser  Druck auf die Körper,-- da selbst mein Schwarz von einem unangenehmen Licht durchdrungen ist. Ein Cézanne kostet heute zwischen vierzig und achtzig Millionen,—  ein Bild von mir nur zwei,-- die Grossformate inbegriffen.--  Benützen sie das seltene Angebot.—
Leihgaben sind schon für achtzig Riesen zu haben.- Sollten sich auf Grund der Aeusserung des Transportmannes einige Interessenten
melden, -- heute ist Sabbath, -- es werden keine Geschäfte abgeschlossen. –

Allfällige Käufer verpflichten sich, für eine weisse Wand zu sorgen. –

Sollten sie noch einen Blick auf das  OSTER-TRIPTYCHON  werfen,-- werden sie an Tintoretto erinnert.—  
In letzter Zeit male ich nur noch wie es gerade will.—
Ihr allesamt, -- die Kugel,— der Kegel --und auch der Zylinder, -- können mir, --  die heute hier Anwesenden ausgenommen, -- bis auf Weiteres gestohlen werden. –

Cézannes hat gesagt:
    „ Bei mir fliegt keine Mücke hindurch,-- ich male Perlmutter.“—                                 

                                                              Dringt ein Virus durch Glas?


(Textgelesen von Peter Baer wärend der Perfprmance am 24.September 2011)